Ludwig II. war ein Schöngeist, Träumer und Masochist. Der Märchen- könig von Bayern
fühlte sich leidenschaftlich hingezogen zu Leopold von Sacher-Masoch und erachtete den österreichischen Schriftsteller gar als seelenverwandt, zu dessen Werken namentlich
die Novelle »Venus im Pelz« zählt. 1870 erschienen, konzentriert
sich die Handlung auf das Liebesverhältnis zwischen Severin von
Kusiemski und Wanda von Dunajew. In seiner Abhandlung »Psychopathia
sexualis« von 1886 analysiert Psychiater & Gerichtsmediziner
Richard Krafft-Ebing diese spezielle Beziehung und begründet in
Anlehnung an den Autor, wie auch im Falle des Marquis de Sade, die Begrifflichkeit
„Masoch- ismus“, von der sich Sacher-Masoch Zeit seines Lebens
distanzierte: Die Auffassung seines Textes als sexuelle Abweichung
und darin die Interpretation einer Perversion waren ihm persönlich zuwider. Beabsichtigt hatte der Verfasser die literarische Darstellung wie Verarbeitung einer komplexen und tabuisierten Form der Lust, zu deren Gleichgesinnten beispielsweise König Ludwid II. zählte; öffenlich war dies jedoch nie bekannt.
In ihren Memoiren
beschreibt Wanda von Sacher-Masoch, wie ihr Ehe- mann „in den ersten
Novembertagen“ den ersten von mehreren leiden- schaftlichen Briefen
erhält, allesamt unterzeichnet mit dem Namen Anatol. Es entwickelt
sich eine schwärmerische Briefkorrespondenz zwischen den
Sacher-Masochs und dem unbekannten Absender, der einem persönlichen
Treffen nur auf mehrfaches Drängen des Ehepaars hin zustimmt und ferner die Bedingung
stellt, dass Zusammenkünfte nur an geheimen Orten sowie im Dunkel
stattfinden dürften: „Es war augenscheinlich, dass der
Briefschreiber von einer Indiskretion viel zu fürchten hatte – und
sie fürchtete.“ Weiters dürften sich die Eheleute nur voneinander
getrennt mit Anatol treffen; nach Leopold
schildert Wanda ihre anatol'sche Begegnung folgendermaßen: „Die Person, die an mich
herangekommen war und jetzt neben mir saß, war entschieden nicht der
Anatol, den Leopold gesprochen hatte; denn dieser hier war klein und,
wie ich trotz der Dunkelheit wahrnehmen konnte, verwachsen, auch
seine Stimme hatte den fast kindlichen Klang, wie ihn Bucklige haben,
nicht tief und voll, wie die, die meinen Mann an Anatol so entzückt
hatte. Wer war nun das wieder?“
Der (Brief-)Kontakt währt nicht mehr lange. Einen letzten, an- klagenden Abschiedsbrief von Anatol, worin er ihnen
vorwirft, sie hätten nicht verstanden, geistig zu lieben und dadurch
den Zauber zerstört, lässt das Ehepaar unbeantwortet; Jahre später entlarvt ein Zufall die Person, die sich hinter Anatol verbirgt. Im Sommer 1881 lernen
die Sacher-Masochs in der Nähe von Passau einen gewissen Herrn Dr.
Gandauer kennen: „Er war Arzt, praktizierte jedoch nicht mehr und
war am Hoftheater in München als Regisseur angestellt. Er war ein
großer Kunstkenner und Forscher (…). In einem Gespräch über
Kunst erzählte er uns, was davon in den bayrischen Königsschlössern
vorhanden ist, kam dabei auf die Kunstrichtung des Königs Ludwig
II., von da auf die Seltsamkeiten desselben, die er vom Standpunkt
des Arztes beurteile, sprach von dem Verhältnis des Königs zu
Richard Wagner, von ihrem seltsamen Briefwechsel, der Scheu des
Königs vor dem Verkehr mit Menschen, seiner Abkehr von den Frauen,
dem Suchen der Einsamkeit, dem leidenschaftlichen, nie befriedigen- den
Sehnen nach einer idealeren Ausgestaltung des Lebens. Wir lauschten
gespannt auf alles, was Dr. Gandauer erzählte – es klang uns so
bekannt – wir schauten uns an, und ein Name schwebte auf unseren
Lippen: Anatol. Als der Doktor eine Pause machte, frug ich auf gut
Glück: „Und wer ist der kleine verwachsene Mann, der, wie man
erzählt, der Freund des Königs ist?“ „Ach, Sie meinen wohl den
Prinzen Alexander von Oranien, den ältesten Sohn des Königs von
Holland? Ein armer Schlucker, der.“
(Aus: »Meine Lebensbeichte«, Wanda von Sacher-Masoch)
(Aus: »Meine Lebensbeichte«, Wanda von Sacher-Masoch)
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„Ah, you know, it's
some kind of trash novel“, kommentierte der kürzlich verstorbene Velvet Undergroundler Lou Reed einst den Hintergrund zum Lied »Venus in Furs«. 1969, zwei Jahre nach dem
Bananenalbum, nahm sich auch der spanische Filmregisseur Jess Franco der
Novelle an und verfilmte den Stoff unter dem
Titel »Venus in Furs/ Paroxismus«. In den Rollen
beispielsweise mit Klaus Kinski und Manfred Mann, der den Soundtrack zum Film schrieb, gilt die Ver- filmung heute als Francos Meisterwerk. In der Literaturadaption recht frei, wirkt das Werk weit über seine Vorlage hinaus: Im Film trägt die Protagonistin den Namen
Wanda Reed.